Fr., 25.11.2005
 
 
104 User online
 
 
 
 
 
 

Kolumne
Freitag, 15.4.05
Alles, was Recht ist
Dass Recht und Gerechtigkeit nicht immer dasselbe sind, ist hinlänglich bekannt. Das Rechtsverständnis des ÖTV ist womöglich ein wenig ungerecht.

Wenn ein Spieler sich nicht wohl verhält, gibt's eins auf die Mütze. Für die Einhaltung des Wohlverhaltens am Platz ist der Oberschiedsrichter zuständig – theoretisch ein objektiver Unbeteiligter. Aber überall, wo Menschen agieren, ist es mit der Objektivität wie mit dem Yeti: Viele glauben, dass es ihn gibt, aber nur die wenigsten haben ihn schon live gesehen.

Und so kann's natürlich passieren, dass zwei subjektive Meinungen aufeinanderprallen – umso mehr, wenn einer der beiden Beteiligten den anderen zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt. So geschehen schon mehrmals, im Anlassfall vor einem guten halben Jahr. Nur weigert sich der Beschuldigte mangels Schuldeinsicht beharrlich, seinen Obulus zu berappen – und wählte stattdessen den Instanzenweg des ÖTV.

Darauf einen näheren Blick zu werfen lohnt sich.

Dass die Sache nach dem erwähnten halben Jahr noch nicht endgültig entschieden ist, ist an sich noch nicht verwunderlich. Rechtsstreitigkeiten im "wirklichen Leben" ohne roten Sand dauern noch wesentlich länger.

Den Anfang machte ein Eintrag des Objektiven am vorgesehenen Formular: "Spieler XY, Du warst ein Böser – aber mit Geld lässt sich alles richten!" Der Spieler, von naturgemäß subjektiv gefärbten Zweifeln geplagt, ob er nun etwas angestellt hätte (er meint: eher nicht), verweigert seine Unterschrift und beschwert sich in weiterer Folge beim Wettspielreferenten über das Verhalten des Objektiven. Selbiger Referent schenkt der Darstellung des Objektiven bedingungslos Glauben, weist die Beschwerde ab und bestätigt die Richtigkeit der Geldstrafe.

Der Subjektive begehrt daraufhin zu wissen, was er im Sinne der Regeln eigentlich angestellt hätte, und wird vom Referenten unter Darlegung einer zweistelligen Zahl aufgeklärt. Netter Weise schaltet sich nun auch der Schiedsrichterreferent ein und erläutert dem Subjektiven, welches Vergehen sich hinter der angeführten Zahl verbirgt. Weniger konstruktiv ist dabei, dass es beim ÖTV zwei verschiedene "Böse-Spieler-Maßregelungs-Formulare" gibt, in denen die Reihenfolge der Vergehen nicht die Gleiche ist – daher stimmen Zahl und tatsächliches Vergehen auch nicht überein. In einem weiteren Schreiben des Schiedsrichterreferenten wird dieses Manko zwar behoben und die Zahl ausgetauscht, aber die Optik bleibt nicht die beste.

In der Zwischenzeit wird der Disziplinarreferent als zweite Instanz über die Zahlungsunwilligkeit des Subjektiven unterrichtet. Er setzt sich auch prompt mit dem Beschuldigten zusammen, um ihm letztendlich ein Hintertürl anzubieten: Er möge halt den Präsidenten um Begnadigung ersuchen. Der Beschuldigte bleibt jedoch weiter uneinsichtig und lehnt das Hintertürl ab, da er argwöhnt, damit ein Schuldeingeständnis zu liefern.

Kaum zwei Monate später kommt es zum (bisherigen) Schlussakt, einer mündlichen Verhandlung. Bei dieser sind anwesend:
- der Disziplinarreferent
- der Subjektive samt Anhang
- und aus.
Denn der Objektive schickt an Stelle seiner Person ein Schreiben, in dem er nochmals seine objektive Darstellung schildert. Nach gut zweistündiger Diskussion zieht der Referent ein fix fertig vorbereitetes Schreiben aus der Aktenmappe, worin die Beschwerde des Subjektiven gegen den Objektiven endgültig abgewiesen und die Gültigkeit der Geldstrafe bestätigt wird. Damit ist gleichzeitig der Instanzenweg erschöpft und es bleiben nach aktueller ÖTV-Rechtslage zwei Möglichkeiten:
a) Der Spieler zahlt.
b) Der Verein (das Vergehen fand im Zuge eines Mannschaftsmeisterschafts-Spieles statt) wird gesperrt.

Rechtskundige Leser werden vielleicht auf einige Ungereimtheiten in der Vorgangsweise gestoßen sein:
a) Richter und Staatsanwalt sind ein und dieselbe Person.
b) Der Zeuge gehört derselben Vereinigung an wie der Richter/Staatsanwalt.
c) In der zweiten Instanz wechselt zwar die Person des Richters/Staatsanwalts, die Personalunion bleibt aber bestehen.
d) Wer objektiv ist, steht von vorneherein fest – daher muss seine Darstellung die richtige sein.
e) In weiterer Folge braucht der Beschuldigte auch keinen Anwalt, weil er sowieso Unrecht hat.
f) Eine Gegenüberstellung von Beschuldigtem und Zeuge ist nicht notwendig.

Schlussbemerkung: Aufgrund meiner halbwegs genauen Kenntnis der Sachlage und der tatsächlichen Vorkommnisse möchte ich hier keinesfalls den Eindruck erwecken, den Spieler weißwaschen zu wollen – es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass er tatsächlich etwas angestellt hat, was Verwarnung und Geldstrafe rechtfertigt. Aber die Rechtspflege des Tennisverbandes ist, wie gesagt, ein wenig – nun ja, eigenartig halt.

tennisweb-Kolumnist Arno Dupal ist freier Journalist und Tennistrainer.

War diese Kolumne am Punkt oder out? Deine Meinung ist gefragt - klick dich jetzt ins tennisweb-Forum!
 
 
 
zurück zur Übersicht

Hinweis zum Thema Urheberrecht

im Forum diskutieren
Diese Meldung versenden


Auf den Punkt
Freispiel
Heldenplatz
Der tragische Held
„Süßer die Glocken nie klingen ...“
Die Mär vom warmen Eislutscher
Das Anti-Tennis-Projekt
Die größten Tennis-Lügen
Der Wille zum Kabarett
Zu viel des Guten
"Self fulfilling prophecies" und Sexualtherapie

 
 
» Registrieren
 
tennisweb-Updates:
News:
Ergebnisse:
Community:



über tennisweb.at : : Nutzungsbedingungen : Impressum