Di., 8.11.2005
 
 
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Kolumne
Freitag, 26.8.05
„Süßer die Glocken nie klingen ...“
...war ein Lied von eher besinnlicher Tendenz. Heutzutage ist das Verständnis für polyphones Glockengeläut nicht überall noch dermaßen ausgeprägt.

Österreich liegt weitweit ziemlich an der Spitze, was die Dichte an Mobiltelefonen betrifft. Nachdem wir bereits bei einer Auslastung von über 100 Prozent liegen, arbeitet der Österreicher vom Säugling bis zur Oma statistisch mindestens auf sein zweites Handy hin. Das verwundert kaum, haben wir doch aus diesem Grund auch zwei Ohren – allerdings nur ein Hirn, wenn überhaupt.

Leider wissen nicht alle Zeitgenossen die Segnungen der modernen Technik auch entsprechend zu würdigen. Sogar in manchen Volksschulen werden von unverständigem Lehrpersonal am Morgen die Telefone eingesammelt, um sie zu Mittag wieder zu verteilen. Wie soll der kleine Karli da rechtzeitig zu seinem Jausenbrot kommen, das er daheim vergessen hat einzupacken?

Dafür wird die Welt der Erwachsenen immer kommunikativer. Demnächst soll es sogar im Flieger rauschfrei möglich sein, seinem Gegenüber die Frage aller Fragen stellen zu können: „Rate mal, wo ich jetzt bin?“ In der Tat, auch darüber klärt uns die Statistik auf, handeln drei Viertel aller Mobiltelefonate von geographischen Themen: Wo bist Du, wo bin ich? Nicht, dass man sich daraufhin irgendwo in der Mitte treffen würde – dazu haben wir ja das Handy, dass wir uns eben nicht mehr irgendwo live begegnen müssen. Wollen täten wir vielleicht schon, aber die Zeit erlaubt es nicht. Sie wird durch Telefonate ausgefüllt.

An manchen Orten müssen wir uns aber immer noch live begegnen, einer davon ist der Tennisplatz. Koubek gegen Massu in Kitzbühel ist ein willkommener Anlass, das virtuelle Gegenüber via o.a. geographischem Ratespiel vom eigenen Standort in Kenntnis zu setzen. Ein wenig störend ist das dauernde „Quiet, please!“ des Unparteiischen, das zu einer Erhöhung des Sprachlautstärkepegels zwingt – was wiederum böse Blicke der Umsitzenden nach sich zieht. Der Vorteil am Dasein als Zuschauer ist klar: Man bleibt anonym und ist mehr oder weniger unangreifbar.

Wird der Handyfonierer selbst zum Spieler, sieht er sich drastischeren Anfeindungen ausgesetzt. In Oberösterreich geht das Unverständnis gegenüber der Mobilkommunikation so weit, dass Spieler nicht einmal mehr dazu kommen, geographische Auskünfte erteilen zu können: Beim ersten Läuten des liebsten Spielzeugs dürfen sie nämlich zusammenpacken und in aller Ruhe im Clubhaus weitertelefonieren. In einer weltweit bahnbrechenden Aktion hat der Vorstand beschlossen, den ersten vernehmbaren Klingelton mit einem sofortigen w.o. zu ahnden. Als Erschwernis darf der Sünder daraufhin auch nicht mehr im Doppel antreten – eben weil er ja das Einzel w.o. gegeben hat.

Laut Auskunft des Vizepräsidenten gab es heuer ungefähr zehn Fälle, in denen die Neuerung zur Anwendung kam. Hoffentlich betraf keiner davon einen Arzt im Bereitschaftsdienst – eine der wenigen Berufsgruppen, die ziemlich sicher auf allgemeines Verständnis dafür hoffen dürften, das Handy allzeit parat zu haben. Für den Rest der Tennisspieler, die – wir erinnern uns – zu 75% über ihren derzeitigen Standort Auskunft geben, gäbe es drei Möglichkeiten, dem vorzeitigen Spielende zu entgehen:

a) Den Aus-Knopf betätigen
b) Im Menü den Unterpunkt „Lautlos“ aufsuchen
c) Das Handy einem Freund übergeben, der sich nicht am Platz befindet

Offenbar waren etwa zehn Personen nicht in der Lage, einen dieser (nicht allzu versteckten) Auswege zu finden. Sieht man von der Möglichkeit ab, dass dies einfach aus Gedankenlosigkeit geschah, lassen andere Erklärungsversuche einen Mangel an praktischer Intelligenz vermuten. Nicht, dass ich persönlich die „Handy-w.o.-Regelung“ für die Krone der Sportlicheit halten würde. Aber dass eine solche Regelung offenbar nötig ist, macht fast ein wenig betroffen.

Wer von der geneigten Leserschaft es für unumgänglich hält, während einer Meisterschafts- oder Turnierpartie telefonieren zu müssen, der oute sich. Nachdem sich keiner melden wird, haben wir wieder etwas gelernt: Nicht zu 75, sondern zu 99 Prozent sind die Deppen immer die Anderen.

tennisweb-Kolumnist Arno Dupal ist freier Journalist und Tennistrainer.

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