Di., 8.11.2005
 
 
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Kolumne
Sonntag, 10.7.05
Das Anti-Tennis-Projekt
Vor einigen Jahren wollte die sogenannte "Spielervereinigung" das Einzel verhunzen. Nach dem Misslingen dieser Aktion versuchen sie sich am Doppel.

Die internationale Vereinigung der Tennisprofis ist mittlerweile knapp vierzig Jahre alt. Entstand sie damals aus dem legitimen Bestreben der Berufsspieler, ihre Interessen gegen die mächtigen Turnierveranstalter durchzusetzen, so hat sie sich seit damals gründlich verselbständigt. Was Industrie und Fernsehen wollen, wird gemacht. Die Dummen sind die Spieler, deren Interessen sich mit denen ihrer Interessensvertretung immer weniger decken.

Die Industrie will ihre Produkte weltweit flächendeckend vermarkten, also werden von der ATP in wirtschaftlich und politisch dubiose Gegenden Großturniere vergeben, mit Startverpflichtung für drei, fünf oder mehr Top 20-Spieler, je nach Preisgeld und ATP-Punkten. Das alleine zeigt schon mehrere unerwünschte Nebeneffekte, deren bekanntester das aus Kitzbühel leidlich bekannte Kafelnikov-Syndrom ist. Diejenigen Spieler, die sich ihrem eigenen Ehrenkodex verpflichtet fühlen und jede Woche ihre Top-Leistung bringen, bezahlen dafür mit Stressfrakturen und Burnouts.

Industrie und Fernsehen hätten gerne neue, größere und damit auf den Bildschirmen besser sichtbare Tennisbälle gehabt, was sich zu einem Flop allererster Güte auswuchs. Ebenfalls aufs Patschenkino zugeschnitten sind Bestrebungen, die Spiele insgesamt kürzer und in ihrer Dauer berechenbarer zu machen. Statt jedoch gleich einen ordentlichen Kniefall zu machen und etwa denjenigen zum Sieger zu erklären, der nach 90 Minuten mehr Games gewonnen hat, gibt sich die ATP mit Halbherzigkeiten ab und verkürzt die Sätze – fürs erste auf vier Games. Auch diese plumpe Idee wurde im Einzel schon ad acta gelegt und feiert geplanter Weise ab Herbst im Doppel ihre ruhmlose Auferstehung. Wahrscheinlich hat die ATP von einem österreichischen Bundesland gehört, das immer schon ein wenig anders war und seine Hobbymeisterschaft mit diesem System belebt: "Kärnten bahnbrechend im internationalen Tennis!" Wenn das keine Schlagzeile ist.

Ebenfalls dringend abgeschafft gehört das ewige "Einstand-Vorteil-Einstand"-Spiel, das das Warten auf die längst fällige Werbepause geradezu unerträglich werden lässt. Wer bei Einstand den nächsten Punkt gewinnt, dem gehört das Game – meint die ATP. Am besten wären lauter Games, die zu Null ausgehen. Die sind zwar nur mäßig spannend, aber auch das "No ad"-System geht in die selbe Richtung: die Spannung sofort dann abzudrehen, wenn sie aufkommt.

Zu unguter Letzt soll auch die Wechselpause dran glauben müssen. Die 90 Sekunden, in denen die Spieler sich abtrocknen, besprechen, was trinken und eine Banane essen bergen tatsächlich ein unheimliches Zeitersparnis-Potential. Persönlich befürchte ich ja, dass es auch dieser Idee an letzter Konsequenz mangeln wird, denn angedacht wäre ja eigentlich eine völlige Abschaffung der Pause. Der Gedanke an Spieler, die in Begleitung von handtuch-, wasserflaschen- und bananentragenden Ballbuben im – aus alten Chaplin-Filmen bekannten – Fast-Forward-Modus hektisch über den Platz hampeln, hätte schon wieder was.

Sie merken, es geht vorwärts und der alte Spruch: „Gestern standen wir am Abgrund – heute sind wir einen Schritt weiter!“ behält immer noch seine Gültigkeit. Glücklicher Weise ist der Tennissport stark genug, um auch so manche Schwachsinnigkeiten auszuhalten.

Die Anekdote zum Abschluss: Wussten Sie, dass die Sensation von Wimbledon – der noch nie zuvor da gewesene Turniersieg durch eine Qualifikantenpaarung – bei keinem anderen Grand Slam-Turnier möglich gewesen wäre? Aus dem simplen Grund, weil es nirgends sonst noch eine Doppel-Quali gibt? Wäre das vielleicht ein sinnvoller Ansatzpunkt für Leute, denen Doppel- und auch Tennis allgemein wirklich am Herzen liegen?

tennisweb-Kolumnist Arno Dupal ist freier Journalist und Tennistrainer.

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