Fr., 25.11.2005
 
 
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Kolumne
Sonntag, 5.6.05
Der Wille zum Kabarett
Von klein auf zur Ernsthaftigkeit erzogen, wird uns Tag für Tag bewiesen, dass es im Leben in Wahrheit nur um den Unterhaltungsfaktor geht. Nicht nur im Tennis, aber auch.

In den vergangenen Wochen habe ich mehr als nur ein Mal bedauert, nicht als politischer Kommentator tätig zu sein. Die Realsatire, die uns tagtäglich per Zeitung und Bildschirm ins Haus geliefert wird, liefert Stoff für Kolumnen im Buchausmaß. Leider fehlt in den allermeisten Fällen der Tennisbezug, wodurch die Verarbeitung an dieser Stelle eher schwierig wird. In meiner Not habe ich Zuflucht zu einem semi-spontanen Zweizeiler genommen, um die Geschehnisse nicht ganz unbeachtet ziehen zu lassen:

Mancher ist blau nach dem Spiel, orangerot ist der Court,
wer mit dem Kampl abziehen will, wird merken – des is hoat!

Zugegeben, das ist ein wenig weit hergeholt, vereint jedoch die bewegenden Themen der näheren Vergangenheit in sich - und der Tennisbezug ist da. Ach ja, einer noch: Vor zwei Jahren startete der Gesundheitssprecher (!) einer mittlerweile rudimentären politischen Interessensgemeinschaft einen Feldversuch mit vergorenem Traubensaft, in dessen Verlauf er der Betriebsberechtigung seines Fahrzeuges verlustig ging. An sich ein Schicksal, das er mit manchen von uns teilen dürfte (mich eingeschlossen), aber der Herr will nun für jeden Monat, den er danach seiner gesundheitlich-aufklärerischen Tätigkeit nicht mehr nachgehen durfte, die Bagatelle von €10.000.-. Abgesehen davon, dass er die Marie von der oben erwähnten rudimentären IG haben will und tote Kühe nun mal keine Milch mehr geben, möchte ich liebend gerne auch nur einen einzigen Leser dieser Kolumne kennen lernen, der dadurch Geld verdient hat, dass ihm in der Fett'n der Deckel gezupft wurde.

Nachdem der Herr Kärntner ist, fällt mir dazu richtig spontan unser vollschlanker Hoorsti ein, der ähnliches vor etwa einem Jahrzehnt mit der ATP versuchte - und auch recht erfolgreich war. Der kleine, aber feine Unterschied liegt darin, dass dem Hoorsti bis heute der Genuss leistungssteigernder Substanzen nicht nachgewiesen werden konnte, dem Traubensaft-Apostel aber schon.

Sind wir sich uns ehrlich: Dagegen ist der lustigste Tenniszirkus nicht mehr als ein stinkfades Mädchenpensionat. Was bewegt die Tenniswelt inzwischen? Jürgen gewinnt sein erstes Turnier wieder nicht, Stefan pendelt zwischen Verletzung und Verkühlung hin und her, einzig "ÖTV-Schützling" Tamira sorgt für lupenreine Heimsiege und sichert sich die Spring Bowl. Hier kann ich leider nicht umhin, meinen Weitblick zu loben: Seit sie mit dem TJA (für Uneingeweihte: Tennis Austria Junior Award) ausgezeichnet wurde, hat ihre junge Karriere tatsächlich erst den entscheidenden Kick bekommen.

In den tieferen Regionen des Sports sorgt die Doppelregelung für Diskussionsstoff. Für die Leser aus den westlichen Bundesländern: Seit heuer zählt in der niederösterreichischen Mannschaftsmeisterschaft ein Doppel zwei Punkte, das Einzel aber nach wie vor nur einen. In Oberösterreich gibt es diese Regelung schon länger - und die Spieler sind zumindest nach außen hin en gros zufrieden. Östlich der Enns sieht man die Sache ein wenig anders. In einer unrepräsentativen Umfrage ergab sich ungefähr folgendes Bild: 6 von 10 Spielern verteufeln die Regelung, weil sie einen hart erkämpften Einzel-Dreisatzerfolg zur Marginalie verkommen lässt, 2 bringen Verständnis auf, weil sie ohne das doppelte Doppel heuer schon zwei Punkte weniger am Meisterschafts-Konto hätten, und den restlichen 2 ist die Diskussion ein desinteressiertes Achselzucken wert. Meistens deswegen, weil sie der Unterhaltung aufgrund sprachlicher Schwierigkeiten sowieso nur eingeschränkt folgen können.

Als vorsichtiger Befürworter der Doppelregelung sehe ich mich jedenfalls durchwegs einer Phalanx von erbitterten Gegnern gegenüber, die teilweise sogar vor der Drohung nicht zurückschrecken, sich nächstes Jahr aus der Meisterschaft zurückzuziehen, "wenn s' den Bledsinn net loss'n". Als Zwischenergebnis ist festzuhalten:
1) Die hübsche Sitte, den einen oder anderen Doppelpunkt durch Ausspielen eines Bummerls zu vergeben, gehört der Vergangenheit an.
2) Wer nach den Einzeln schon 5:1 führte, ist verständlicher Weise ang´speist, wenn er mit einem finalen 5:7 im Gepäck die Heimreise antreten darf.
3) Ein kürzlich gehörter Vorschlag zur Güte: Wie wäre es, nur das Einser-Doppel mit zwei Punkten zu werten? Dadurch wäre auch ein sportlicher Anreiz gegeben, das erste Doppel tatsächlich mit den stärksten Spielern zu bestücken.

Und recht gespannt bin ich auch schon auf die für nächstes Jahr versprochene Ausländer-Regelung. Ein Freund berichtete mir kürzlich aus der vierten (!) Kreisklasse von zwei Slowaken auf den ersten beiden Positionen. Sowas freut ungemein, zumal die beiden Herren noch nie zuvor bei ihrem "Heimverein" gesichtet worden waren. Vielleicht täusche ich mich ja, und wir versuchen mit solchen Aktionen tatsächlich das politische Kabarett zu übertrumpfen. Wird nicht einfach - aber der Wille zählt ja fürs Werk.

tennisweb-Kolumnist Arno Dupal ist freier Journalist und Tennistrainer.

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